Publikationen


Katarzyna Bielińska, Anna Chowaniec, Robert Doričić, Marianne Nowak, Marcin Orzechowski, Mojca Ramšak, Paweł Łuków, Amir Muzur, Zvonka Zupanič-Slavec, Florian Steger: Equal access to healthcare in national legislations: how do Croatia, Germany, Poland, and Slovenia counteract discrimination in healthcare? BMC Health Services Research (2022) 22: 100. https://doi.org/10.1186/s12913-021-07453-6.

Hintergrund: Ziel der Studie war eine vergleichende Analyse der gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen aufgrund von a) Rasse und ethnischer Zugehörigkeit, b) Religion und Weltanschauung sowie c) Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung in Kroatien, Deutschland, Polen und Slowenien.

Methoden: Wir haben in nationalen Rechtsdatenbanken nach Dokumenten und Rechtskommentare gesucht, wissenschaftliche Literatur und offizielle Berichte von Gleichstellungsstellen gesichtet. Wir haben eine vergleichende Methode mit der Textanalyse und dem kritischen Interpretationsansatz integriert. Die Dokumente wurden in ihren Originalsprachen geprüft: Kroatisch, Deutsch, Polnisch und Slowenisch.


Ergebnisse: Alle untersuchten Staaten verbieten Diskriminierung und garantieren das Recht auf Gesundheitsversorgung auf Verfassungsebene. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern auf gesetzlicher Ebene, sowohl in Bezug auf antidiskriminierende rechtliche Maßnahmen als auch auf andere Rechtsvorschriften, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Gruppen unterschiedlicher Rasse oder ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität betreffen. Kroatien und Slowenien weisen im Vergleich zu Deutschland und noch mehr im Vergleich zu Polen die umfassendsten Rechtsvorschriften zur Nichtdiskriminierung im Gesundheitswesen auf. Mit Ausnahme Sloweniens sind die ausdrücklichen Bestimmungen zum Schutz des gleichberechtigten Zugangs für Mitglieder der oben genannten Gruppen im Gesundheitsrecht nicht ausreichend vertreten.


Schlussfolgerungen: In der Studie wurden gesetzliche Hindernisse für den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Personen unterschiedlicher Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, sexueller Ausrichtung oder Geschlechtsidentität in Kroatien, Deutschland, Polen und Slowenien festgestellt. Die Unterschiede im Grad der Umsetzung von Antidiskriminierungsmaßnahmen zwischen diesen Staaten zeigen, dass umfassende EU-weite Regelungen erforderlich sind, die den Grundsatz der Gleichbehandlung im spezifischen Kontext der Gesundheitsversorgung umsetzen. Die allgemeinen Antidiskriminierungsvorschriften sollten durch die Aufnahme von Antidiskriminierungsbestimmungen direkt in die nationalen Rechtsvorschriften, die sich speziell auf den Bereich der Gesundheitsversorgung beziehen, verstärkt werden.


Robert Doričić, Marcin Orzechowski, Marianne Nowak, Ivana Tutić Grokša, Katarzyna Bielińska, Anna Chowaniec, Mojca Ramšak, Paweł Łuków, Amir Muzur, Zvonka Zupanič-Slavec, Florian Steger: Diversity Competency and Access to Healthcare in Hospitals in Croatia, Germany, Poland, and Slovenia. International Journal of Environmental Research and Public Health (2021) 18: 11847. https://doi.org/10.3390/ijerph182211847

Diversity-Kompetenz ist ein Ansatz zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung für Angehörige von Minderheitengruppen. Er beinhaltet eine Verpflichtung zu institutionellen Strategien und Praktiken, die auf die Verbesserung der Beziehungen zwischen Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe abzielen. Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, ob und wie eine solche Verpflichtung in internen Dokumenten von Krankenhäusern in Kroatien, Deutschland, Polen und Slowenien enthalten ist. Mit den Methoden der Dokumentationsforschung und der thematischen Analyse haben wir interne Dokumente von Krankenhäusern in diesen Ländern untersucht. In allen vier Ländern konzentrieren sich die Dokumente auf allgemeine Aussagen zum Verbot der Diskriminierung im Bereich der Gesundheitsversorgung. Spezifische Regelungen zu ethnischer und kultureller Zugehörigkeit konzentrieren sich auf die Frage der Sprachbarrieren. Im Hinblick auf religiöse Praktiken konzentrieren sich die Dokumente aus Kroatien, Polen und Slowenien auf die dominierenden religiösen Gruppen. Auf die Einhaltung anderer religiöser Praktiken und Bräuche wird nur selten eingegangen. Die Bedürfnisse von Patienten mit nicht-heteronormativer sexueller Orientierung, intersexuellen und transsexuellen Patienten werden nur in wenigen internen Dokumenten ausdrücklich angesprochen. In den untersuchten Krankenhäusern wird die Politik der Diversitätskompetenz nicht umfassend in den krankenhausinternen Vorschriften umgesetzt. Es besteht ein Bedarf an der Entwicklung und Umsetzung umfassender Strategien in Krankenhäusern, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Minderheitengruppen ausgerichtet sind.


Fabian-Alexander Tietze, Marcin Orzechowski, Marianne Nowak, Florian Steger: Access to healthcare for minors: An ethical analysis of judgments of the European Court of Human Rights. Healthcare (2021) 9: 1361. https://doi.org/10.3390/healthcare9101361

Das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen internationalen Verträgen oder Richtlinien verankert. Seit ihrer Ratifizierung ist die Europäische Menschenrechtskonvention in allen Mitgliedstaaten des Europarates verbindlich und wird vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ausgelegt. Trotz ihrer rechtlichen Anerkennung ist die Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung immer wieder Gegenstand medizinethischer und politischer Überlegungen gewesen. In diesem Zusammenhang sind Minderjährige besonders gefährdet, dass ihnen dieses Grundrecht vorenthalten wird. Ziel dieser Studie ist es, den aktuellen Stand der Rechtsprechung des EGMR zu Herausforderungen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung für minderjährige Patienten zu analysieren. Wir haben eine systematische Suche nach Urteilen des EGMR mit den Stichworten "Gesundheitswesen" und "Kind" durchgeführt. Wir führten eine deskriptive Statistik und eine qualitative thematische Analyse durch. Das Ergebnis unserer Suche waren n = 66 Urteile, die alle überprüft wurden. Der Zugang zur Gesundheitsfürsorge für Minderjährige spielte in n = 21 Urteilen eine Rolle, die Klagen gegen n = 13 Länder betrafen. Wir haben fünf, sich teilweise überschneidende Kategorien gebildet, die wiederkehrende Themen zum Forschungsthema darstellen. Dabei handelt es sich um Versagen der Verwaltung (n = 11), den Status von Flüchtlingen, Asylbewerbern oder Migranten (n = 5), das Elternhaus (n = 5), Mutterschaft und Geburt (n = 4) und andere (n = 2). Der normative Rahmen der Rechtsprechung des EGMR veranschaulicht die Überschneidungen zwischen den sozialen, rechtlichen und medizinisch-ethischen Aspekten der Diskriminierung von Minderjährigen im Gesundheitssystem. Er unterstreicht die besondere Verletzlichkeit von Kindern, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Der unzureichende Zugang zur Gesundheitsfürsorge zeigt sich in besonderen Situationen, wie z. B. im Zusammenhang mit der Migration oder dem Aufenthalt in öffentlichen Einrichtungen. Angehörige der Gesundheitsberufe müssen für solche Diskriminierungsmechanismen sensibilisiert werden, da sie oft an vorderster Front mit struktureller Diskriminierung im Gesundheitssystem konfrontiert sind.


Marcin Orzechowski, Moritz E. Wigand, Marianne Nowak, Thomas Becker, Florian Steger: Post-traumatic stress disorder, human rights and access to healthcare: An analysis of judgments of the European Court of Human Rights from an ethical perspective. European Journal of Psychotraumatology (2021) 12: 1930704. https://doi.org/10.1080/20008198.2021.1930704

Hintergrund: Menschenrechtsverletzungen wie Folter sind mit einem hohen Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) verbunden. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) beinhalten eine normative Perspektive auf PTSD und behandeln zentrale ethische Fragen.

Zielsetzung: Durch eine systematische Bewertung und Kategorisierung aller Urteile des EGMR, die sich mit PTSD befassen, soll die Kluft zwischen dem psycho-medizinischen und dem juristischen Diskurs über Menschenrechtsverletzungen überbrückt und deren medizinisch-ethische Implikationen aufgezeigt werden.

Methode: Die EGMR-Datenbank wurde nach "posttraumatischer Belastungsstörung" durchsucht. Es wurde eine deskriptive Statistik zu den betroffenen Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Verstößen gegen diese Artikel durchgeführt. In einer qualitativen Analyse wurden die Urteile thematisch gruppiert.

Ergebnisse: Die Suche ergab n = 103 Urteile, von denen n = 90 berücksichtigt wurden. In den meisten Fällen wurden Verstöße gegen Artikel 3 (Verbot der Folter), Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Artikel 6 (Recht auf ein faires Verfahren) festgestellt. PTBS wird in diesen Urteilen normativ im Hinblick auf ethische, soziale und politische Themen wie unzureichender Zugang zu medizinischer Versorgung, insbesondere in Gefängnissen, Asyl-, Ausweisungs- und Auslieferungsfragen, Schutz von Minderheiten und Minderjährigen sowie Rechte und Pflichten von traumatisierten Zeugen diskutiert.

Schlussfolgerung: PTSD spielt eine zentrale Rolle in einer großen Anzahl von EGMR-Urteilen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass PTBS als medizinische Diagnose auch rechtliche, ethische, soziale und politische Dimensionen umfasst. Dieses Wissen ist für medizinisches Fachpersonal, das mit traumatisierten Personen arbeitet, unerlässlich, kann aber auch für politische Entscheidungsträger von Bedeutung sein.


Marcin Orzechowski, Marianne Nowak, Katarzyna Bielińska, Anna Chowaniec, Robert Doričić, Mojca Ramšak, Paweł Łuków, Amir Muzur, Zvonka Zupanič-Slavec and Florian Steger: Social diversity and access to healthcare in Europe: how does European Union’s legislation prevent from discrimination in healthcare? BMC Public Health (2020) 20:1399. https://doi.org/10.1186/s12889-020-09494-8

Hintergrund: Die soziale Vielfalt kann sich auf die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung auswirken, wenn der Zugang zur Gesundheitsversorgung für bestimmte Gruppen eingeschränkt ist. Obwohl der Gleichheitsgrundsatz eines der zentralen Themen auf der Agenda der Europäischen Union (EU) ist, ist sein Anwendungsbereich im Bereich der Gesundheitsversorgung noch relativ unerforscht. Ziel dieser Studie ist es, primäre und sekundäre Rechtsvorschriften der EU-Institutionen, die den Zugang verschiedener Minderheitengruppen zur Gesundheitsversorgung betreffen, zu identifizieren und systematisch zu analysieren. Bei unserer Untersuchung haben wir uns auf drei Merkmale der Vielfalt konzentriert: a) Geschlechtsidentität und sexuelle Ausrichtung, b) Rasse und ethnische Herkunft und c) Religion oder Weltanschauung.

Methode und Materialien: Für diese Analyse wurde eine Suche in der Datenbank Eur-Lex, der offiziellen Website für EU-Recht, und anderen öffentlichen Dokumenten der Europäischen Union auf der Grundlage spezifischer Schlüsselwörter durchgeführt, begleitet von einer Überprüfung der Sekundärliteratur. Relevante Dokumente wurden im Hinblick auf das Forschungsthema untersucht. Unsere Suche umfasste Dokumente, die zwischen dem 13. Dezember 2007 und dem 31. Juli 2019 in Kraft waren.

Ergebnisse: Im Allgemeinen verbietet das EU-Rechtssystem Diskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung. In Bezug auf die Nichtdiskriminierung beim Zugang zur Gesundheitsversorgung bietet das EU-Sekundärrecht jedoch nur Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft und des Geschlechts. Die Frage der Diskriminierung bei der Gesundheitsversorgung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, der Geschlechtsidentität und der sexuellen Ausrichtung wird im EU-Sekundärrecht nicht ausdrücklich behandelt.

Diskussion: Das Fehlen von Regelungen zur Nichtdiskriminierung im EU-Sekundärrecht im Bereich der Gesundheitsversorgung ist möglicherweise auf die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zurückzuführen. Die mangelnde Bereitschaft der Mitgliedstaaten, umfassende Antidiskriminierungsvorschriften zu erlassen, führt dazu, dass der Schutz beim Zugang zur Gesundheitsversorgung in erster Linie von nationalen Vorschriften abhängt. Schlussfolgerungen: Unsere Studie zeigt, dass das EU-Antidiskriminierungsrecht in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung lückenhaft ist. Das Diskriminierungsverbot auf der Ebene des verbindlichen europäischen Rechts deckt nicht alle Aspekte der sozialen Vielfalt vollständig ab.


Marcin Orzechowski, Maximilian Schochow, Florian Steger: Balancing public health and civil liberties in times of pandemic. Journal of Public Health Policy 42 (2021), pp. 145-153. https://doi.org/10.1057/s41271-020-00261-y

Die laufende COVID-19-Pandemie stellt nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, sondern kann auch die bürgerlichen Freiheiten bedrohen. Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Polen und Ungarn argumentieren die Autoren, dass Regierungen die Pandemie zu ihrem eigenen politischen Vorteil missbrauchen und damit die öffentliche Gesundheit gefährden könnten. Politische Entscheidungen, die getroffen werden, um die Ausbreitung von Pandemien einzudämmen, sollten begrenzt sein und in einem strikten Verhältnis zur jeweiligen Situation stehen.


Moritz E Wigand, Marcin Orzechowski, Marianne Nowak, Thomas Becker, Florian Steger: Schizophrenia, human rights and access to health care: A systematic search and review of judgements by the European Court of Human Rights. International Journal of Social Psychiatry (2020). https://doi.org/10.1177%2F0020764020942797

Hintergrund: Personen mit Schizophrenie sind durch Menschenrechtsverletzungen gefährdet.


Ziele: Ziel dieser Untersuchung ist die systematische Analyse von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die Personen mit Schizophrenie betreffen.


Methoden: Eine systematische Suche nach Urteilen des EGMR unter Verwendung des Suchbegriffs "Schizophrenie". Es wurden deskriptive Statistiken und eine qualitative thematische Analyse durchgeführt.
Ergebnisse: Es wurden insgesamt n = 105 Urteile aus n = 29 Ländern berücksichtigt. Artikel 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention wurde vom EGMR in 45,7 % der Urteile als verletzt angesehen, Artikel 3 (Verbot der Folter) in 20,0 % und Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) in 19,0 %. Relevante Themen waren der unzureichende Zugang zu psychiatrischer Versorgung, insbesondere in Gefängnissen und bei Polizeieinsätzen, unfreiwillige Einweisung, Inhaftierung und Misshandlung als Risikofaktor für Psychosen, das Recht auf Familienleben gegenüber den Rechten anderer, Auslieferung/Ausweisung und der Schutz der Menschenrechte anderer Personen vor gewalttätigem Verhalten von Personen mit Schizophrenie.


Diskussion: Personen mit Schizophrenie erhalten häufig keine angemessene Behandlung und sind in Gefängnissen besonders gefährdet, wo Misshandlungen einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen können. Sie können sowohl als Täter als auch als Opfer auftreten. Die Urteile deuten darauf hin, dass der EGMR einen ausgewogenen Standpunkt zur nicht freiwilligen Unterbringung vertritt. Nationale Rechtsvorschriften und krankenhausinterne Richtlinien sollten so verfasst werden, dass Menschenrechtsverletzungen gegenüber Menschen mit Schizophrenie auf ein Minimum reduziert werden.


Konferenzbericht

Robert Doričić, Marcin Orzechowski and Marianne Nowak: International Conference Healthcare as a Public Space: Social Integration and Social Diversity in the Context of Access to Healthcare in Europe. European Journal of Bioethics 11 (2020), pp. 283-286.

Der Konferenzbericht gibt einen Überblick über die verschiedenen Präsentationen und Diskussionen, die während der ersten internationalen Konferenz im Rahmen des Projekts stattfanden. 

Der gesamte Text des Berichts kann hier abgerufen werden.

 

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